Widerrufsrecht 2011

Nachdem das Widerrufsrecht bereits zum 11. Juni 2010 reformiert wurde, trat nun erneut eine umfassende Änderung in Kraft, die auch Auswirkungen auf die Widerrufsbelehrung eines jeden Shopbetreibers hat. Es gibt zahlreiche Neuerungen, vieles bleibt aber auch beim Alten. 10 Fragen und Antworten werden euch das neue Widerrufsrecht erklären.

1. Änderungen am Widerrufsrecht? Das habe ich gar nicht mitbekommen. Wann war das?

Das Gesetz zur Anpassung der Wertersatzvorschriften wurde am 26.05.2011 vom Deutschen Bundestag beschlossen und tritt am 04. August 2011 in Kraft. Ab diesem Tag gelten die neuen Vorschriften über den Wertersatz und somit auch die neuen Musterbelehrungen.

2. Ich habe diesen Tag verpasst, kann ich jetzt abgemahnt werden?

Grundsätzlich: Nein. Wenn Sie im Shop die seit 11. Juni 2010 geltenden Muster richtig einsetzen, um den Verbraucher über das Widerrufsrecht vorab im Shop zu informieren und später in Textform zu belehren, gilt die gesetzliche Privilegierung noch für weitere 3 Monate. Die bisher gültigen Muster können also noch bis zum Ablauf des 04. November 2011 eingesetzt werden.

Zu empfehlen ist aber, die neuen Muster so schnell wie möglich zu verwenden. Spätestens nach Ablauf der Frist müssen alle Texte im Shop überarbeitet sein, sonst drohen Abmahnungen.

3. Was genau ändert sich eigentlich am Wertersatz und an der Widerrufsbelehrung?

Die Vorschriften zum Wertersatz werden vollständig neu strukturiert. So wird ein neuer § 312e BGB eingeführt, in dem der Wertersatz für Nutzungen der Sache geregelt wird. Der Anspruch auf Wertersatz für eine Verschlechterung der Sache bleibt zwar in § 357 Abs. 3 BGB stehen, wird aber ebenfalls umformuliert.

Durch diese Änderungen an den Wertersatzvorschriften müssen auch die Widerrufs- und die Rückgabebelehrungen umformuliert werden. Der Gesetzgeber stellt hierfür Musterbelehrungen bereit, die nur noch durch Umsetzung von Gestaltungshinweisen an den Warenverkauf im Online-Shop angepasst werden müssen. Am Ende dieses Artikels haben Sie die Möglichkeit, die fertigen Muster für Ihren Shop kostenlos herunterzuladen.

4. Wann muss der Verbraucher Nutzungswertersatz leisten?

Wertersatz für die Nutzung der Sache muss der Verbraucher nur noch leisten, wenn er die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Außerdem muss er auf diese Rechtsfolge hingewiesen werden.

Eine derartige Nutzung liegt nicht vor, wenn er die Ware lediglich so testet oder ausprobiert, wie es etwa im Ladengeschäft möglich und üblich ist. Das bedeutet beispielsweise, dass der Verbraucher mit einer Digitalkamera ein paar wenige Bilder zum Testen machen kann, ohne hierfür Wertersatz zu leisten. Nimmt er die Kamera jedoch mit in den Urlaub, stellt dies eine Nutzung dar, die über das Prüfen hinausgeht und zum Wertersatz verpflichtet. Ein anderes Beispiel: Hat der Verbraucher einen Fernseher gekauft, darf er durchaus probieren, ob die Qualität des Bildes in Ordnung ist. Er darf das Gerät auch wenige Stunden in Betrieb nehmen, um z.B. festzustellen, ob die Qualität gleichbleibend ist. Aber der Dauerbetrieb, um die Frauenfußball-WM zu verfolgen, geht über das Prüfen der Eigenschaften und Funktionsfähigkeit hinaus und wäre daher wertersatzpflichtig. Die meisten technischen Geräte haben übrigens Laufzeitzähler im Inneren, sodass der Händler die Dauer der Inbetriebnahme gut feststellen kann.

Kein Wertersatz muss der Verbraucher dafür leisten, dass er die Ware die volle Widerrufsfrist über bei sich behält, die Sache aber gar nicht nutzt. Ein Wertersatz für eine solche Gebrauchsüberlassung oder Nutzungsmöglichkeit existiert nicht und wäre auch mit europäischem Recht nicht vereinbar.

5. Muss der Verbraucher Wertersatz leisten, wenn sich die Sache verschlechtert hat?

Der Verbraucher muss für die Verschlechterung der Sache dann Wertersatz leisten, wenn diese Verschlechterung durch einen Umgang mit der Ware eingetreten ist, welcher über das Prüfen der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Über diese Rechtsfolge muss der Verbraucher außerdem spätestens unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform sowie vorab im Online-Shop unterrichtet werden. Dies kann man am besten dadurch erreichen, dass man sowohl im Shop als auch in der Bestellbestätigungs-Mail die neuen Muster verwendet.

6. Aber was bedeutet das denn nun genau?

Auch beim Verschlechterungswertersatz bedeutet das Prüfen der Eigenschaften und der Funktionsfähigkeit, dass der Verbraucher die Ware so testen darf, wie es in einem Ladengeschäft möglich und üblich ist. Diese Erklärung stammt aus der neuen Musterbelehrung. Sie lässt jedoch völlig offen, was genau damit gemeint ist. So hat der BGH in seinem Wasserbett-Urteil entschieden, dass der Vergleich mit dem Ladengeschäft zwar ein guter Anhaltspunkt ist, aber nicht der einzige.

Auch nach der Gesetzesänderung darf der Verbraucher z.B. ein Wasserbett noch mit Wasser füllen und anschließend wertersatzfrei zurückschicken. Der Wertersatz wegen Verschlechterung wird also keineswegs eingeschränkt, sondern vielmehr wird die Formulierung des Gesetzes den Vorgaben des EuGH angepasst.

7. Ich behalte immer pauschal 20% Wertersatz bei der Erstattung des Kaufpreises ein, weil die Sache ja nicht mehr neu ist, wenn ich sie zurückbekomme. Kann ich das weiterhin so machen?

Ein solches Vorgehen war weder nach altem noch ist es nach neuem Recht zulässig. Einen Wertersatz für Nutzungen oder für die Verschlechterung kann der Händler nur dann einbehalten, wenn ihm ein solcher Anspruch auch zusteht. Also nur dann, wenn der Verbraucher die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über das Prüfen der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht.

Durch die Gesetzesänderung wurde auch klargestellt, wer die Beweislast hierfür trägt: Der Unternehmer. Das bedeutet, der Händler muss nachweisen, dass die Verschlechterung der Ware durch eine Handlung entstand, die eben über dieses Prüfen hinausging. Wenn man das Wasserbett-Urteil noch einmal betrachtet: Dort entstand die Verschlechterung des Bettes durch das Befüllen mit Wasser. Nur durch das Befüllen war es aber dem Verbraucher überhaupt möglich, die Eigenschaften des Bettes zu testen. Dem Händler würde also auch nach neuem Recht der Nachweis nicht gelingen, dass die Verschlechterung durch eine Handlung entstand, die über das Prüfen hinausging.

Wer pauschal Wertersatz einbehält, obwohl ihm dieser gar nicht zusteht, begeht darüber hinaus eine unlautere geschäftliche Handlung und kann dafür abgemahnt werden.

8. Warum stehen die Ausnahmen vom Widerrufsrecht gar nicht mehr im Muster?

Die Ausnahmen vom Widerrufsrecht waren noch nie Bestandteil der Musterwiderrufsbelehrung. Eine Änderung an den Ausnahmen fand nicht statt.

9. Wo kann ich denn ein neues Muster für meinen Shop herbekommen?

Trusted Shops hat für Online-Händler ein Whitepaper erstellt, welches Sie kostenlos herunterladen können. Darin finden Sie sowohl die Musterwiderrufs- als auch die Musterrückgabebelehrung angepasst für die Verwendung im Online-Shop:

10. Ist dann endlich Schluss mit den ganzen Änderungen?

Wohl nicht. Auf europäischer Ebene wird derzeit ein Vorschlag über eine Verbraucherrechterichtlinie diskutiert. Sollte diese in Kraft treten, stehen erneut massive Änderungen am Widerrufsrecht bevor. Ob und wann die Richtlinie aber geltendes Recht wird, steht noch nicht fest. Gerade von den anderen EU-Mitgliedstaaten gibt es großen Widerstand gegen diese.